Samstag, 3. August 2013

Mont Blanc ( 4810m ) / Solo

Ein Traum ist wahr geworden !


 
Der Mont Blanc ( 4810m ) - was für ein Berg ! Die Besteigung vom höchsten Punkt der Alpen spukt mir ja schon seit einiger Zeit im Kopf herum, und nun hat es endlich geklappt ! Die Tour war mit Sicherheit die emotionalste, interessanteste, aufregendste Bergtour die ich je unternommen habe - von den drei Tagen in Frankreich werde ich auf jeden Fall noch eine ganze Weile zehren !

Wer sich für eine Besteigung interessiert, sollte auf jeden Fall mal in die tollen Berichte von [u TeamMoomin], [u Sputnik] und [u Basti] reinsehen, es lohnt sich ! Im Prinzip gibt es ja mehrere Möglichkeiten den Berg anzugehen. Ich habe mich für die Variante mit Biwak am Refuge de Tête Rousse ( 3167m ) entschieden. Welche Variante man auch wählt, es erwarten einen auf jeden Fall etliche Höhenmeter in dünner Luft...

01.08.2013

In der Nacht am Nationalfeiertag fahre ich via Zürich, Bern und Genf nach Frankreich. In Saint - Gervais - le - Bains / Ortsteil Le Fayet ( 581m ) parkiere ich den Wagen, und kaufe mir am schnuckligen Kartenhäuschen der Tramway du Mont Blanc ein Retour - Ticket. Die erste Bahn um 07.20 Uhr fährt in etwas mehr als einer Stunde hinauf zur Endstation Nid d`Aigle ( 2372m ). Schon die Fahrt mit dieser historischen Bahn ist ein Genuss ! Es wackelt, es rattert, im Innenraum nur Holz und Metall statt modernem Kunststoff. Am Nid d`Aigle angekommen wandert man durch felsiges Geröllgelände hinauf zur Tête Rousse - Hütte ( 3167m ). Der Weg ist gut ausgetreten und bietet keine Schwierigkeiten, zahlreiche Markierungen und Steinmännchen weisen den Weg. Schon hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Viele Berggänger preschen vorwärts als ginge es darum Preise zu gewinnen. Andere brauchen die erste Verschnaufpause schon nach 50 Höhenmetern. Mit dem vollgeladenden Biwakrucksack gehöre ich eher zum Mittelfeld...

Am Refuge de Tête Rousse ( 3167m ) angekommen mache ich mich rasch daran das Zelt aufzustellen. Offiziell ist das Biwakieren in der kompletten Gegend hier ( mit Ausnahme der Tête Rousse - Hütte ) aus Naturschutzgründen verboten. Auch oben bei der Goûter - Hütte ( 3835m ) stehen aber immer einige Zelte, das wird toleriert. Den Nachmittag verbringe ich im Zelt, in der Hütte und beim Erkunden der näheren Umgebung. Nach 17 Uhr mache ich mich dann an den weiteren Aufstieg. Geplant ist bis zum Bivoauc Vallot ( 4362m ) aufzusteigen, dort zu übernachten und am nächsten Tag den Gipfel anzugehen. Der Vorteil dieser Variante : man hat den ganzen ersten Tag Zeit viele Höhenmeter zu machen, hat die Kraxelei in der Westflanke ( inkl. dem berüchtigten Grand Couloir ) schon hinter sich und am Gipfeltag dann " nur " noch rund 450 Höhenmeter aufzusteigen. Im Grand Couloir liegt noch Schnee, eine gute Spur ist vorhanden und ich komme ohne Probleme durch diese Schlüsselstelle. Der weitere Weg durch die gut 650 Meter hohe Flanke ist überwiegende leichte Kletterei im I. und II. Grad, gut mit roten Punkten markiert und mit Stahlseilen abgesichert. Trotz der Hitze komme ich ganz gut voran. Im oberen Drittel treffe ich auf einen Tourengänger aus Stuttgart, Achim, mit dem ich zusammen noch bis zur Goûter - Hütte gehe. Sein Rucksack weckt meine Neugier, und es stellt sich heraus das er bis zum Gipfel gehen und von dort mit dem Gleitschirm abfliegen will ! Ich vermute aber das daraus wohl nichts geworden ist - es hat ziemlich gewindet am nächsten Tag.

Wir erreichen also zusammen die wunderschöne, neue Goûter - Hütte ( 3835m ) und pausieren dort ein paar Minuten. Achim möchte hier in der Hütte bleiben und am nächsten Tag weiter aufsteigen. Ich kaufe mir neue Getränke ( um Kopfschmerzen wegen der Höhe vorzubeugen saufe ich wie ein Kamel... Dies ist wohl meine erste Tour in der ich mehr Geld für Getränke ausgegeben habe als für den Sprit der An- und Rückreise... ) und mache mich an den weiteren Aufstieg.

Hinter der Hütte überschreite ich dann die wenig selbstständige Aiguille du Goûter ( 3817m ). Um die Zeit, es ist jetzt schon gegen 20 Uhr, sind kaum noch Tourengeher unterwegs. " Antizyklisches Bergsteigen " nannte das [u Basti], sinngemäss, in seinem Bericht :) An der Flanke unterhalb des Dôme du Goûter ( 4304m ) treffe ich auf zwei Bergsteiger aus dem osteuropäischen Raum. Sie fragen mich ob ich Wasser bei mir habe. Zwei Freunden von ihnen gehe es sehr schlecht, einer der beiden sei völlig am Limit und schaffe es kaum noch sich auf den Beinen zu halten. Sie versuchen permanent die beiden anzurufen, bekommen aber kein Netz und machen sich zu Recht grosse Sorgen.  Ich habe gerade erst Getränke nachgekauft und verspreche den beiden zu helfen wenn ich auf sie treffe. Ein paar Minuten darauf halte ich einen kurzen, netten Plausch mit zwei deutschen Bergsteigern, und wiederum kurze Zeit später sehe ich dann zwei Gestalten auf mich zukommen. Es handelt sich um die Genannten, und einer der beiden erklärt mir das sie über die Cosmiques - Hütte ( 3613m ) zum Gipfel sind. Sie hatten zu wenig Trinken dabei und wären jetzt völlig am Ende. Ich gebe ihnen also eine neue Flasche aus meinem Rucksack und erkläre ihnen den Weg zur Goûter - Hütte. Mich wundert das sich das Vierergrüppchen getrennt hat wenn es zwei von ihnen nicht gut geht. Und, vor allem, das diese beiden keine Ahnung haben wo genau die Goûter - Hütte liegt, sie haben offensichtlich kein Kartenmaterial dabei...

Rechtzeitig vor dem Sonnenuntergang mache ich noch einen Abstecher auf den Dôme du Goûter ( 4304m ) - meinem ersten 4000er in diesem Jahr - und nehme den letzten, steilen Aufstieg zum Bivoauc Vallot ( 4362m ) in Angriff. Dort angekommen ist es dunkel und ich schleiche leise in den Innenraum. Es stinkt zwar nicht so fürchterlich wie schon in anderen Berichten beschrieben, aber leider findet sich absolut kein Platz mehr ! Wie die Ölsardinen, dicht an dicht, liegen etliche Bergsteiger in der Hütte, es findet sich nicht einmal mehr ein Stehplatz ! Verdammt, denke ich, das wird eine lange Nacht !

02.08.2013

Ich kauere also mehr schlecht als recht auf der Treppe und versuche wenigstens ein wenig zu dösen. Die Qual nimmt kein Ende, die Stunden vergehen nicht, und zu allem Überfluss plage ich mich auch noch mit Sodbrennen und Augenschmerzen herum. Die Augen tränen fürchterlich ( ich habe meine Kontaktlinsen schon viel zu lange drin, das rächt sich nun... ), draussen windet es fürchterlich und in Gedanken sehe ich meinen Traum vom Mont Blanc schon platzen. Irgendwann ab 4 Uhr morgens trampeln dann alle paar Minuten ganze Heerscharen an geführten Seilschaften in den Raum um sich aufzuwärmen. Die ersten Gruppen aus der Goûter - Hütte die zum Gipfel gehen. Ich kann mich noch nicht dazu durchringen aufzubrechen, lieber würde ich mich momentan auf den Rückweg machen...

Gegen 7 Uhr  bessert sich die Lage dann zusehends. Meinen Augen geht es wieder besser, die Sonne kommt raus und der Wind lässt nach. Jetzt bin ich wieder zuversichtlicher den Gipfel zu schaffen und breche auf. Schritt für Schritt geht es aufwärts, nur nicht zu schnell angehen in der Höhe ! Alle rund 50 - 70 Schritte halte ich kurz um Durchzuschnaufen, so geht es ganz gut. Ich bin längst nicht so am Limit wie schon auf anderen Touren, die gute Akklimatisation in den letzten paar Wochen macht sich wohl bezahlt. Nach etwa anderthalb Stunden erreiche ich den Gipfelgrat, eine gut ausgetretene Spur führt direkt über höchsten Punkt Italiens, den Punto più alto dell`Italia ( 4760m ). [u Sputnik] hat einen eigenen Bericht dazu verfasst - sehr lesenswert ! Blöderweise vergesse ich hier ein Bild zu knipsen, aber egal, der dritte Landeshöhepunkt in meinem " Seven - Summits - Alpen " Projekt ist damit im Sack, und der vierte folgt auch gleich noch !

Kurz vor 9 Uhr ist es dann soweit, ich erreiche den höchsten Punkt Frankreichs, der Alpen ( überhaupt ganz Westeuropas )  - der Mont Blanc ( 4810m ) !!! Ich kann es nicht fassen das alles um mich herum - tausende Kilometer weit ! - jetzt niedriger liegt, ein faszinierendes, einzigartiges Gefühl ! Ein sehr emotionaler Moment für mich, ich kann mich nicht mehr halten und heule einen Moment lang wie ein kleines Mädchen. Wenn das mein Vater noch sehen könnte ! Er hat uns Kinder früher ( meist erfolglos... ) versucht zu sonntäglichen Spaziergängen zu motivieren und ist im Jahr 2000 leider an Krebs gestorben. Und jetzt stehe ich auf dem Mont Blanc ! Anderen Bergsteigern, es sind so an die 20 Leute am Gipfel, geht es offensichtlich ähnlich. Einer aus Italien, der dann auch das Gipfelbild von mir macht, hampelt herum wie ein kleiner Junge - Freude herrscht !!!

Ich mache die üblichen Fotos und lasse die Szenerie noch etwas auf mich wirken. Nach einer halben Stunde geht es dann wieder abwärts. Gerne wäre ich noch viel länger hier oben, aber der Gedanke an den elend langen Abstieg lässt mich früh aufbrechen. Schnell geht es den Grat hinab, an der Vallot - Hütte und dem Dôme du Goûter vorbei. Jeder Gegenanstieg wird jetzt zur Qual, und ich halte fast so oft an um zu verschnaufen wie im Aufstieg... In der Goûter - Hütte kaufe ich dann nochmals Getränke, zwei Stunden später bin ich wieder am Grand Couloir. Die Müdigkeit macht mir mittlerweile sehr zu schaffen und ich muss mich zusammenreissen nicht zu stolpern und keine Fehler zu machen. Am Grand Couloir verzichte ich darauf die Steigeisen nochmals anzulegen - ein Fehler der um ein Haar böse ausgegangen wäre ! Eine Gruppe Spanier am anderen Ende hat das Couloir im Auge und lotst mich mit " Move, move ! " Rufen durch den gefährlichen Abschnitt. In der Mitte dann regnet es wieder Felsbrocken und ein kleiner, faustgrosser Stein trifft meinen Rucksack. Kein Problem, nix passiert. An der Schmelzwasser - Rinne passiert es dann, ich muss mit dem Stiefel einen Tritt in den Schnee schlagen und rutsche ab... Samt Pickel jagt es mich 5 Meter ins Couloir hinab, ich schreie und denke mir noch Verdammt, das war`s jetzt, das überlebst Du nicht !  Glücklicherweise kann ich mich aber gerade noch am nassen Fels festklammern, einer der Spanier kommt angerannt und streckt mir seinen Stock entgegen. Mühsam schiebe ich mich auf die Spur, der Tourengeher bekommt meinen Rucksack zu fassen und zieht mich hinauf. Meine Güte, gerade nochmal gutgegangen ! Ich bedanke mich überschwenglich und mache mich dann zitternd an die letzten Meter zum Biwak. Bis auf ein paar Schrammen am Unterarm und an den Gelenken habe ich keine Verletzungen davongetragen. Puh...

03.08.2013

Den Rest vom gestrigen Nachmittag und Abend habe ich im Zelt verbracht, mich ausgeruht, und heute  nun geht es an den Abstieg zum Nid d`Aigle. Morgens ist es noch recht windig, es regnet auch ein wenig, und ich bin froh nicht aufsteigen zu müssen. Mit der ersten Bahn gegen 8.30 Uhr fahre ich hinab nach Le Fayet ( 581m ) und mit dem Wagen zurück in die Heimat.



Fazit :

Was für eine Tour ! Mit Sicherheit die genialste, spannendste, aufregendste und auch emotionalste Tour bisher ! Das Wetter hat gepasst, ich war gut in Form, der Berg ist einfach geil ! Auf den Grand Couloir - Abflug hätte ich verzichten können, aber das ist ja gut ausgegangen. Ein absoluter Hammer !!! 


GPS - Track dieser Tour :


























































 

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